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Idaho Part I


Nun war es soweit. Das Flugzeug ging in den Sinkflug über und kurz drauf landeten wir auch schon. Willkommen in Idaho, schoss mir durch den Kopf. Die später Nachmittagssonne begleitete meinen Trainer Jack und mich, während wir den Flughafen verließen und uns ein Mietwagen suchten. Meine Glieder waren schwer und ich blinzelte immer öfter, denn ein Flug von England nach Amerika war nun mal nicht gerade kurz und ich entsprechend müde. Allerdings würden wir noch über zwei Stunden fahren müssen, bevor wir bei der Ranch ankämen und innerlich grauste mich die Vorstellung, noch so lange in einem Auto sitzen zu müssen. Ich wollte nur noch ins Bett.

Kaum hatten wir ein passendes Auto gefunden, stiegen wir ein und machten uns auf den Weg. Jack stupste mich grinsend an. Er war ziemlich aufgeregt und das sah man ihm auch an. Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf, um gleich drauf zu gähnen.

Jack lachte. „Wenn du willst, kannst du ruhig schlafen. Wir fahren ja noch eine ganze Weile.“, sagte er gedehnt.

Ich neigte neugierig den Kopf. „Und du? Bist du denn gar nicht müde?“

Er verneinte. „Dafür bin ich zu aufgeregt. Wir holen immerhin vier meiner besten Pferde ab und ich sehe lauter alter Freunde wieder. Meine frühere Familie.“

Das verstand ich. Ich freute mich auch jedes Mal, wenn ich meine Familie in Spanien besuchte. „Okay. Aber die zweite Hälfte der Strecke fahre ich. Du musst dich dennoch mal ausruhen. Verstanden?“

Jack verdrehte die Augen, stimmte dann aber zu. Dafür, dass er straff auf die Vierzig zuging, hatte er noch einen jungenhaften Charme und ein verspieltes Funkeln in den Augen.

Kaum schloss ich die Augen, war ich auch schon eingeschlafen. Nach der Hälfte der Strecke weckte mich Jack und stellte mir das Navi ein. Dann tauschten wir Plätze und er zog sich seinen Cowboyhut tief ins Gesicht, wobei kurz drauf ein leises Schnarchen erklang. Mir entfuhr ein Lachen, was ich jedoch schnell unterdrückte. So, so, er war also zu aufgeregt zum Schlafen? Das konnte ich sehen!

Irgendwann zog ich mein Handy hervor und schrieb eine kurze SMS an Nate. Dass wir bereits gelandet und nun auf den Weg zur Ranch waren. Und ich würde mich später noch einmal melden oder wir könnten telefonieren, falls er Zeit hatte.

Genau zum Abendbrot trafen wir auf der Ranch ein, wobei alle Arbeiter draußen saßen und mit dem Ranchbesitzer sich ein gutes Mahl gönnten. Einige der Arbeiter lebten auf der Ranch, andere, die nahe genug lebten, fuhren nach dem Abendessen immer heim. Jack hatte zu jenen gehört, die auf der Ranch lebten. Alle sahen sie zu uns, als wir ausstiegen und der alte Besitzer kam sofort auf uns zu.

Freudig umarmten sich die Männer und der Ältere klopfte Jack auf die Schulter. „Jack, alter Junge. Schön dich wiederzusehen!“, rief er aus. Nun kamen auch die anderen näher. Einige kannten Jack, andere waren neuere Arbeiter und stellten sich vor. Dann ergriff wieder Daniel, der Besitzer, das Wort. „Und das ist die Spanierin, von der du mir erzählt hast?“, wollte er wissen und reichte mir begrüßend die Hand. Die Männer taten es ihm nach und ich hob in Richtung Jack fragend beide Brauen.

Jack nahm seinen Hut ab und fuhr sich schmunzelnd durch das dunkelblonde Haar, bevor er den Hut wieder aufsetzte. „Ich habe Daniel informiert, dass du mitkommst. Sonst hätte seine Frau nur ein Gästezimmer hergerichtet. Und ich habe ihm erzählt, wie gut du dich entwickelt hast.“

„Solange du nicht mit mir geprahlt hast.“, erwiderte ich neckend. Unterbrochen wurden wir von einer molligen Frau, die mit ausgebreiteten Armen auf uns zukam und Jack einen Schmatz auf die Wange drückte, bevor sie mich umarmte.

Daniel lachte und nahm die Frau in den Arm. „Entschuldige. Agathe ist immer ein wenig überschwänglich, was Begrüßungen angeht.“

Agathe, Daniels Frau, schlug ihn gegen den Bauch. „Papperlapapp! Ein Küsschen und eine Umarmung ist wohl kaum überschwänglich.“, wies sie ihren Mann zurecht und wandte sich dann an Jack. „Mein Junge, wie geht es deiner Frau? Warum hast du sie nicht auch mitgebracht?“

Jack legte einen Arm um meine Schultern. „Corinne geht es wunderbar. Und irgendwer muss den Stall ja leiten, solange ich nicht da bin. Aber ich habe Francesca als Unterstützung mitgebracht. Sie hat noch Semesterferien und da ihre Pferde bei mir unterstehen, sind sie auch gut versorgt.“ Schnuppernd hielt er die Nase in die Luft und seine Augen leuchteten. „Was gibt es denn Leckeres?“, hakte er nach, wobei alle zu Lachen anfingen. Selbst hier schien Jacks gesunder Appetit noch bekannt zu sein.

Nach dem Essen brachten wir unsere Sachen ins Zimmer. Es war noch relativ hell und Jack wollte mir noch die Mustangs zeigen, bevor die Sonne unterging. Denn dann würden wir sie definitiv nicht mehr zu sehen bekommen. Sie standen auf einer sehr großflächigen Weide und schon jetzt stand die Chance schlecht, dass sie zu uns kämen.

Die Sorge war allerdings unbegründet. Kaum pfiff Jack nach ihnen, konnte man in der Ferne zwei Punkte erkennen, die schnell näher kamen. Scheinbar erinnerten sie sich an diesen Ruf und wussten, dass es Jack war. Jahre hatten sie ihn nicht gesehen und konnten es scheinbar kaum erwarten ihn zu begrüßen. Als sie nah genug waren, schoss ich ein Bild. Es wirkte einfach, als befänden sie sich noch immer in freier Natur und da ich nicht die Gelegenheit bekommen würde, wild lebende Mustangs zu sehen, konnte ich wenigstens diese Illusion für mich schaffen. Das Bild sendete ich auch gleich mal Nate und Nora, bevor ich das Handy wegsteckte und mit Jack zu den Mustangs ging. Diese genossen die Streicheleinheiten, wurden dem jedoch schnell wieder überdrüssig, schlugen aus und stürmten dann wieder davon.

So langsam ging auch die Sonne unter und Jack und ich beschlossen, dass wir uns noch ein wenig zu den anderen setzen könnten. Während lustiger Erzählungen über Jack, als er noch hier lebte und spannende Geschichten über die wilden Mustang, verging die Zeit wie im Flug.


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