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Idaho Part II


Der nächste Tag fing auf der Coyote Creek Ranch bereits früh an. Die Sonne tauchte alles bereits 5 Uhr in einen orangeroten Schimmer und färbte so den Himmel. Mich rissen diese Strahlen ebenfalls aus dem Schlaf, obwohl ich die Nacht nur wenige Stunden hatte schlummern können und sich die Zeitverschiebung bemerkbar machte. Faul sein wollte ich allerdings auch nicht, während alle anderen bereits geschäftig über die Ranch huschten. Also stand ich auf, Dusche fix und kleidete mich so ein, dass ich auch mal dreckig werden konnte.

In der Küche empfing mich Agathe und stellte mir einen Teller voller Essen auf den Tisch. Mir lief das Wasser im Mund zusammen.

Agathe grinste. „Lass es dir schmecken.“

„Wo ist denn Jack?“, fragte ich und aß dann etwas von dem Speck. Genießerisch schlossen sich meine Augen. Agathe war eine Künstlerin am Herd, wenn schon solche Kleinigkeiten fantastisch schmeckten. „Agathe, das ist himmlisch.“, lobte ich, kaum, dass ich geschluckt hatte.

Sie lachte auf und fuhr sich über die zu breite Hüfte. „Vielen Dank, mein Kind. Jack ist bereits mit draußen und hilft den anderen.“, antwortete sie mir.

„Danke.“

So aß ich auf, dankte ihr abermals und huschte dann nach draußen. Kaum erklärte ich, dass ich helfen wollte, schickte man mich zu Jack und wir misteten zusammen die Ställe auf, brachten frisches Stroh in die Scheune und kümmerten uns um die Pferde. Ich konnte sogar beobachten, wie einer der Arbeiter einen Mustang auf altmodische Weise einritt, indem er den jungen Hengst brach. Das gefiel mir zwar überhaupt nicht, doch war es interessant so etwas mal beobachten zu können. Jack schüttelte den Kopf und erzählte mir, dass er alle Mitarbeiter mochte und sie tolle Menschen wären, es jedoch nicht bereute gegangen zu sein. Unteranderem, weil hier teils noch die Pferde gebrochen wurden, statt sie humaner einzureiten. Das verstand ich. Wenn es eine Wahl gibt, würde ich auch die für das Pferd angenehmere Methode wählen, selbst wenn es ewig dadurch länger dauern sollte.

Sie würden diese Woche noch einige Mustangs verkaufen und nächste Woche die Jungtiere von der großen Weide eintreiben. Alles was ich gerne gesehen hätte, doch dafür waren wir nicht lange genug hier. Ich nahm mir vor, das Angebot des Besitzers anzunehmen und irgendwann mal zu Besuch zu kommen. Für längere Zeit, dann konnte ich in Ruhe alles ansehen und vielleicht erhielt ich auch die Chance, bei so einem Herdentrieb dabei zu sein. Es war eben doch etwas völlig anderes als daheim. Dort konnte ich Kühe in einer kleinen Herde treiben und mit ihnen trainieren, aber Pferde, gar Wildpferde, hatte ich noch nie getrieben und das wäre mal eine Erfahrung, die ich gerne machen wollte. Oder eine große Viehherde. Vielleicht bekam ich irgendwann mal die Gelegenheit.

Am Nachmittag schnappten wir uns zwei Pferde und ritten über das Land der Ranch. Jack zeigte mir seine liebsten Plätze, wo er seiner Frau den Antrag gemacht hatte (dafür hatte er sie extra hierher entführt) und welche Wege sie für den Viehtrieb nahmen. Das Vieh stand momentan zu weit weg, um mal eben hinzureiten, doch eine kleinere Herd stand in der Nähe der Stallungen. Es waren texanische Longhorn-Rinder, die hier gezüchtet wurden. Eine Rinderrasse, die mir durchaus großen Respekt abnötigte, wegen ihrer Statur und den langen Hörnern. Wenn da doch mal eins aggressiv reagierte … Hui, da wollte ich nicht in der Nähe sein!

Gegen frühen Abend ritten wir zu der Weide, wo die Mustangs von Jack standen. Er hob grinsend eine Hand und ich kam seiner Aufforderung freudig nach. Die Hengste rannten nicht davon, standen aber auch nicht gerade neben uns. Mit dem Lasso hatte ich kaum Erfahrung, aber wenn Jack es schon anbot, wie konnte ich da widerstehen? Zur Ranch mussten wir sie so oder so bringen. Fünf Versuche brauchte ich, um den Schecken zu erwischen, welche mich gelangweilt ansah. Scheinbar war er von meinem Geschick nicht sehr beeindruckt. Jack schwang das Lasso nur einmal und hatte schon den Rappen eingefangen. Hey, er hatte auch Übung!

Gemeinsam ritten wir mit Anhang zur Ranch, führten die Mustangs in einen Paddock und kümmerten uns dann um unsere Reittiere. Kaum waren diese versorgt, holte Jack frisches Stroh und ich füllte einen Wassereimer auf. Beides kam auf den Paddock zu den Mustangs. Kurz drauf rief Agathe zum Abendessen und wir lachten viel, unterhielten uns und einer der Cowboys fing sogar an Gitarre zu spielen. Es war ein herrlicher Abschluss für den Tag. Morgen würden wir schon wieder aufbrechen und mein Herz wurde bereits jetzt schwer. Es war herrlich gewesen und ich könnte mich an so ein Leben durchaus gewöhnen. Allerdings freute ich mich schon unheimlich auf meine Pferde, meine Hunde, meine Freunde und besonders auf Nate. Ich hatte ihn jetzt zu lange nicht gesehen und konnte ihn weitere Tage nicht besuchen. Wir hatten nämlich beschlossen, die Pferde zu begleiten, immer in der Nähe zu sein. Am nächsten Morgen sollte uns ein Arbeiter zum Bahnhof fahren, wo wir die Pferde verladen mussten und dann ging es Richtung Küste. Von dort aus führte unser Weg mit dem Schiff über das Meer, bis nach England. In England würde uns Jacks Frau Corinne abholen. Es würde eine lange und anstrengende Reise werden, doch auch eine Erfahrung, die ich machen wollte. Außerdem konnten wir so immer die Pferde im Auge behalten.

Nach dem Essen, die Sonne neigte sich bereits dem Untergang entgegen und verlief dem Himmel wieder wunderbare Tönungen, liefen Jack und ich zu einer Weide in der Nähe. Dort standen zwei seiner American Quarter Horses, die wir ebenso mit nach England nehmen würden. Eine Blue Roan Stute mit Sun faded Face namens Sisha Rock’n’Smoke und sein Wallach Come on Louisville, welchen er selbst aufgezogen und trainiert hatte. Die beiden Pferde genossen die Abendsonne sichtlich, was wir eine Weile beobachteten. Louis sah Jack, wieherte und kam dann freudig angetrabt. Der Wallach ging bereits straff auf die 20 zu, doch war er noch sehr fit. Sisha folgte dem kleinen Wallach langsamer. Beide bekamen ein Halfter übergezogen und wurden dann ebenso auf ein hergerichtetes Paddock geführt. So mussten wir uns nicht morgen früh damit begnügen, erst alle einzufangen.

In der Nacht lag ich noch eine Weile wach und lauschte den Grillen. Auch wenn wir nur sehr kurz hier gewesen waren, hatte ich viel erlebt und zu sehen bekommen. Mehr würde sicher auf unserer Reise nach England folgen. Kurz schrieb ich Nate, dass wir morgen unsere Rückreise antreten würden und ich ihn vermisste. Mit dem Handy in der Hand schlief ich ein.


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